Strafen für wen?

Ordnungsmittel in der BVV


Der Morgenpost entnahm ich kürzlich voller Erstaunen, dass der Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses Strafen für unpünktliches Handeln verhängt.


Solche „Strafen“ treffen Senatoren oder Staatssekretäre, die unpünktlich zu den Hauptausschusssitzungen kommen, oder Senats- oder Bezirksverwaltungen, die nicht rechtzeitig angeforderte Berichte abliefern. Beim ersten Blick freut man sich natürlich, dass das Parlament die säumigen Verwaltungen in die Pflicht nimmt. Beim zweiten Blick kann den Leser und Bürger dieses Verhalten weniger erfreuen. Man nimmt nämlich mit Entsetzen zur Kenntnis, dass (natürlich) nicht von den zu spät eingetroffenen Senatoren bzw. deren Stellvertretern oder Bezirksvertretern persönlich das Strafgeld eingefordert wird, sondern von den jeweils durch sie vertretenen Verwaltungen bezahlt wird. So wird also der ursprüngliche pol. Wille des Abgeordnetenhauses, der sich durch den beschlossenen Haushaltsplan dokumentierte, durch eine kleine Gruppe von Parlamentariern verändert. Immerhin werden den Haushalten der jeweiligen Senats- bzw. Bezirksverwaltungen Summen zwischen 50.000,-- bis 100.000,-- Euro entzogen. Diese Summen müssen die betroffenen Verwaltungen bei Projekten vielleicht wie Jugendbetreuung, Straßeninstandsetzung, Bauinvestitionen oder Suchthilfen einsparen. Die „Strafmaßnahme“ trifft also nicht den Verursacher, sondern den völlig unschuldigen Bürger, der auf ein bestimmtes Handeln seiner Behörde hoffte oder darauf angewiesen war. Auch verspätet eingereichte Berichte der Bezirke werden ähnlich geahndet.  Man nimmt hier nicht zur Kenntnis, dass gerade die Personalausstattung der Bezirke in den vergangenen Jahrzehnten besonders für Sparmaßnahmen herhalten musste. Sind die Bezirke in solchen Einzelfällen vielleicht gar nicht schuld? Ein besonders krasses Beispiel ist aus dem Bereich des Bezirks Steglitz-Zehlendorf zu vermelden. Eine Straßenbaumaßnahme wurde deshalb immer wieder verschoben, weil andere Betriebe selbst Baumaßnahmen in der Straße durchführen wollten. Um das mehrfache Aufreißen eines neuen Straßenbelages zu vermeiden, hielt der Bezirk die Maßnahme zurück. Jetzt wurde jetzt der Bezirk deswegen mit einer „Strafe“ von 100.000,-- Euro belegt, obwohl er sich logisch und wirtschaftlich verhalten hatte. Der Bezirk darf obendrein für sein vernünftiges Verhalten nun 100.000,-- Euro woanders einsparen.

Ist das alles noch vernünftiges politisches Handeln oder verteidigen die Mitglieder des Hauptausschusses nicht ein wenig zu arrogant ihre Rechte? Der Hauptausschuß meint, die eingesparten Mittel werden ja dem Schuldenabbau zugeführt! Na prima, nur entspricht das ja nicht dem Willen des gesamten Parlaments, das durch den Haushaltsplan eben gerade nicht den Abbau der Schulden meinte, sondern andere Projekte bedienen wollte. Absurdistan im Berliner Abgeordnetenhaus! Können sich Parlament und Verwaltungen nicht auf vernünftiger Ebene treffen und Versäumnisse und Verspätungen auf andere Weise bereinigen?